Gründen heißt auch: Aushalten.

Bei schokofisch ist es im Moment eher ruhig. Was der Grund dafür ist? Dazu gibt es heute einen sehr persönlichen Einblick: über das Gründen und Aushalten.

Auch schokofisch muss mal nachdenken… Das Leben, das Universum, der ganze Rest – ihr kennt das. Ein paar Eindrücke davon gefällig?

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1. Der Start: energiegeladen und das Ziel vor Augen

Als Gründerin zu starten, ist super, wenn man eine klares Ziel vor Augen hat. Businessplan schreiben, Webseite aufsetzen, zack! Los geht’s! Doch nach einiger Zeit, durch Aufträge (im besten Fall), durch Gespräche mit Freunden und Netzwerkkollegen, verändern sich plötzlich Dinge…

Ich selber startete im Herbst 2013 frohgemut mit der festen Absicht, Menschen beim Thema Social Media zu beraten. Mir hatte eine Weiterbildung Augen und Türen geöffnet: Sah ich doch auf einmal eine Welt, die ich nur erahnt hatte, klar vor mir. Auch vorher war ich schon im Internet unterwegs, aber der Einstieg ins aktive Bloggen, Netzwerken und Vernetzen war ein neuer Schritt für mich. Ich liebe die Möglichkeiten, die Social Media bieten, und sehe darin eine große revolutionäre, soziologisch relevante Kraft.

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2. Die Strecke: manchmal steiler als gedacht…

Im Laufe des Jahres später stellte ich fest: Strategien zu verkaufen ist gar nicht so einfach. Einerseits bin ich selber gar nicht so sehr diejenige, die vorne auf der Bühne vortanzt und die großen Würfe erzielen will.

Andererseits sind meine Kunden (hauptsächlich Einzelunternehmer und Freiberufler) gar nicht unbedingt auf der Suche nach einer Gesamtstrategie. Passt ja eigentlich? Stimmt, aber das musste ich erst mal feststellen. Und auch, welche Kunden ich denn haben möchte. Eben nicht den großen Getränke- oder Autohersteller. Sondern die, die ich jetzt habe!

Und drittens bin ich auch kein typischer „Agenturhase“. Werbebudgets, Pitch und Großkunden – das ist nicht meine Welt. Viel lieber berate ich eben genau die Kunden, die allein arbeiten und als Freiberufler ihr Geld verdienen. Auf die ich individuell eingehen kann, und wo mir die persönliche Kundenbeziehung wichtig ist. Was ich völlig okay finde, denn zu jedem Topf passt sein Deckel.

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3. … aber mit neuen Abzweigungen!

Was ich noch feststellte: Viele Kunden brauchen neue Webseiten. Da ich durch das Hineinarbeiten und den Spaß daran inzwischen WordPress gut beherrschte, wurde das Erstellen von Webauftritten plötzlich eines meiner Standbeine. Das war ursprünglich nicht geplant, macht mir aber viel Spaß: Jedes Projekt ist anders, ist kreativ.

WordPress-Auftritte zu gestalten ist so ähnlich wie mit Legosteinen zu spielen: ein bunter Berg liegt vor mir, und ich setze die Steine in gewünschter Zusammenstellung aufeinander. Dabei muss man manchmal auch wieder etwas ändern: vielleicht stimmt das Theme nicht, oder ein Plugin muss ergänzt werden. Der Vorteil von WordPress gegenüber einer von Hand programmierten Seite ist aber: Es ist sehr leicht, ein neues Layout zu installieren, ohne dass Inhalte verloren gehen!

Und so sehr manchen das Hineinfrickeln in Details nerven mag: Ich liebe es, eine Lösung zu finden. Für ein „Aha“- oder „Ach so geht das!“-Erlebnis beim Kunden zu sorgen und einen dankbaren Blicken zu erhalten.

4. Und die alte Liebe…

Und dann ist da noch das Schreiben, das ich schon sehr lange sehr gerne mache. Früher waren es lange Aufsätze in der Schule oder ausgedachte Geschichten, später ausgefeilte Facharbeiten fürs Studium oder detaillierte Buchbesprechungen. Mit letzteren fing ich übrigens auch an zu bloggen, und Bücher zu besprechen ist auch heute noch etwas, das ich sehr liebe. Ich bin eben im Herzen auch noch Buchhändlerin.

Inzwischen schreibe ich außerdem (u.a. für GEO Saison) über Reisethemen – ein Herzensprojekt! Erdkunde, Geografie, Reise begleiten mich schon lange, über die Ausbildung zur Buchhändlerin in einer Reisebuchhandlung oder die Arbeit in einem Reisebuchverlag: Das Thema lässt mich nicht los.

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5. Wenn es neblig wird

Trotzdem bin auch ich nicht von Schreibblockaden verschont. Bei mir nicht in der Form, dass ich nicht formulieren kann, sondern mir fehlt – der Anlass. Das Thema. Ich habe Lust, weiß aber nicht, worüber ich schreiben „soll“. Genauso blöd allerdings wie eine Blockade mit Thema, bei der die Worte nicht fließen…

Inmitten dieser Fülle an tollen Arbeitsschwerpunkten ist es für mich manchmal gar nicht leicht, die goldene Mitte zu finden. Den roten Faden. Die perfekte Strategie. Die allumfassende Antwort auf die Frage „Was machst du?“ in nur einem kernigen Satz.

Muss ich das denn? Ab und zu denke ich das. Klar zu sein, spitz und fokussiert auf ein Thema. Nur so können suchende Kunden mich perfekt einordnen, so erhalte ich passende Aufträge. Oder?

6. Stärken und Schwächen

Denn: Ich bin bunt. Genauso gerne, wie ich sowohl Kaffee als auch Tee trinke, baue ich in einem Projekt leidenschaftlich eine Kunden-Webseite und verfasse für den nächsten Auftrag einen Text über ein spannendes Reiseziel. Während mein dritter Kunde mich beauftragt hat, sein verstaubtes Social-Media-Profil zu überarbeiten.

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Ich bin bunt, und ich liebe die Abwechslung. Das mag an meinem Wesen liegen: Cordula Nussbaum beschreibt es in ihrem Buch „Bunte Vögel fliegen höher“ sehr treffend. Demnach fühlen sich Menschen in jeweils verschiedenen Tätigkeiten wohl: die einen in vertrauten Routinetätigkeiten mit logischen Aufgaben, die anderen in kreativen, aber rasch abgeschlossenen Projekten. Hier habe ich das Buch einmal näher besprochen.

Eine ähnliche Persönlichkeit ist auch der Grübler. Der alles hinterfragt, durchdenkt, ananlysiert. Hat etwas, kann aber auch zum ewigen Kopfkino führen. Und wenn ich, wie oben beschrieben, gerade in einer großartigen Schreibblockade festhänge, ist mein Weg in den persönlichen, dramatischen Theatersaal gar nicht mehr weit. Dort mache ich mir ausschweifende Gedanken über neue Strategien für mein Business, überlege, wo ich optimieren kann oder ob „bunt“ wirklich besser ist als einfarbig.

Hilft nicht? Richtig – oder zumindest nur bedingt. Watson, übernehmen Sie!

7. Zwischen Abgrund und Ponyhof

Oh, ich höre gerade: Watson arbeitet nicht mehr bei uns. Nun, dann heißt es: Abwarten. Aushalten. Mit Legosteinen spielen. Leckeren Kaffee oder Tee trinken. Die bunten Vögel füttern und sich an ihren bunten Federn erfreuen.

Denn: Gründen ist kein Kindergeburtstag. Grübeltage mit spektakulärem 3-D-Kopfkino oder ein auch mal gähnend leeres Auftragsbuch werden vorkommen. Definitiv.

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Schwer auszuhalten? Ja. Auch das ist ein „Learning“, wie es neudeutsch heißt. Ich bin Unternehmerin und selber dafür verantwortlich – aber ich habe eben auch alles selber in der Hand, um es wieder zu ändern. An den Schrauben drehen, sie ölen (macht man das mit Schrauben eigentlich?!), bis die Maschine wieder rund läuft. Und das ist eigentlich ja auch der große tolle Vorteil daran, selbstständig zu sein! Neben der Tatsache, dass ich das „Schmieren“ auch bei einem guten Kaffee im Café oder im Einhorn bedruckten Schlafanzug vor dem Monitor erledigen kann…

Eine Ideallösung für das alles exisitiert meines Wissens nicht. Wenn ich nicht zurück möchte in die enge Legebatterie einer Festanstellung, muss ich den Freilauf aushalten können. Meine bunten Federn putzen, nachdenklich den Himmel ansehen und mich an der frischen Luft erfreuen! Und dann… – ja, dann geht’s wieder los!

In diesem Sinne: fröhliche Grüße von der Gründerfront! Was sind eure Erlebnisse?
Inga

Inga
Nordlicht aus Hamburg, Schweden im Herzen, Katze auf dem Schoß und immer einen Tee neben sich.

12 Kommentare

  1. Liebe Inga,

    vielen vielen Dank für diesen tollen Artikel. Ich habe ihn auch gleich auf linkedIn, Xing und Twitter geteilt. Er spricht mir so sehr aus der Seele. Und danke, dass ich dank Ihnen nun meine Gefühle in Worte fassen kann.
    „Ich bin bunt“- genauso. Bei allen Zielgruppendefinitionsüberlegungen fehlte mir genau diese Wortwahl.

    Ich freue mich auf mehr von Ihnen, gern auch einen regen Austausch und mehr.

    Viele sonnige Grüße,

    Antje Scholz

    1. Liebe Antje,

      das freut mich sehr – danke zurück!

      Auf viel bunten Austausch und herzliche Grüße
      Inga

  2. Liebe Inga,

    danke für diese sehr persönlichen Worte. Danke für Deine Ehrlichkeit.
    Genau, was Du beschreibst, ist das, was Gründen ausmacht. Nicht jeder startet mit 1000 Projekten und ganz vielen Kunden, die bereits kaufwillig sind. Nein, viele müssen sich den Kundenstamm erst erarbeiten.
    …und dann gibt es eben auch die Löcher, die Tage, Zeiten, wo jeder, ja auch ich, denkt, das kann doch nicht sein! Ich ackere, tue und mache und wo sind denn nun die Kunden? Und auch die Zweifel, die jeden Gründer ab und an beschleichen. Das gilt es wirklich auszuhalten.
    Und es wird mit besseren Zeiten, viel Arbeit und ganz tollen Kunden belohnt. Das erlebe ich immer wieder, nach dem Tal kommt irgendwann wieder die Anhöhe mit toller Aussicht.

    Viel Erfolg weiterhin, ich finde Dich so „bunt“ einfach prima und das gebe ich gern weiter.

    Liebe Grüße
    Silke

  3. Liebe Inga,
    mit der Überschrift triffst du den Nagel wirklich auf den Kopf.
    Das Aushalten ist vermutlich das absolut Schwierigste an der Selbstständigkeit – besonders, wenn man gerade mal wieder sich selbst aushalten muss. Weil man zu ungeduldig ist, zu ehrgeizig, zu perfektionistisch oder zu kritisch.
    Alle Fäden in der Hand zu halten, ist eben Fluch und Segen gleichzeitig. Denn eine Auftragsdurststrecke ist ja nicht nur eine Auftragsdurststrecke, sondern immer auch eine super Steilvorlage für das eigene Kopfkino inklusive Selbstzweifeln. 😉
    Immerhin sind wir damit nicht allein – und das finde ich tröstlich.
    Für deine Offenheit also ganz lieben Dank. Oh, und für den netten Link zu meinem Blogpost danke ich dir natürlich auch von Herzen! Damit hast du mir meinen grübeligen Aushalt-Tag direkt versüßt. 🙂
    Liebste Grüße und eine aufmunternde Umarmung aus dem Pott
    Catinka

    1. Liebe Catinka,
      ja, du hast mich da inspiriert! 😉 Und ich freue mich wirklich über ein Netzwerk, das einen in Phasen des dramatischen Theaters versteht und unterstützt!
      Herzliche Grüße zurück,
      Inga

  4. Liebe Inga,

    vielen Dank für diesen Gedankenanstoß und deine persönlichen Worte.
    Ich bin gerade dabei ernsthaft über eine Selbstständigkeit nachzudenken, auch wenn ich ein Sicherheitsmensch bin. Trotz dem Dasein als frisch gebackene SoMeMa liebe ich das Projektmanagement im Printbereich, also bin auch ich bunt und würde mich nicht nur auf Social Media festlegen wollen.

    Vielleicht treffen wir uns auf einen Tee oder Kaffee Ende März? Da bin ich in Hamburg, sofern nichts dazwischenkommt.

    Liebe Grüße!
    Bine

    1. Liebe Bine,

      ich glaube auch zunehmend, dass Social Media Management als „Job“ irgendwann aufhört: wir haben auch gelernt, wie Telefonieren geht, ohne Telefonistin zu sein! Daher wird SoMe wahrscheinlich irgendwann zu den Grundeigenschaften gehören…
      Community Management etc. vielleicht ausgenommen.

      Jedenfalls: Warum nicht kombinieren!? Bunt ist prima!

      Und: Ja, sehr gerne auf einen Kaffee!! Sag Bescheid, wenn du hier bist, ich würde mich sehr freuen!

      Herzliche Grüße
      Inga

  5. Liebe Inga,

    was für ein schöner und persönlicher Artikel – danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst.

    Mir macht das Mut, denn seit 5 Jahren bin ich jetzt selbstständig. Ich bewundere, wie sich meine Kolleginnen und Kollegen in diesen 5 Jahren „spitz und klar“ positioniert haben und das auch überzeugend kund tun.

    Ich dagegen ändere gerne mein Angebot, weil sich die Nachfrage ändert oder ich Lust auf neue Themen habe. Und so sind auch die meisten meiner Kunden: bunt. Und das dürfen sie auch sein.

    Auch konnte ich „diesem einen Satz“ (Elevator Pitch) noch nie so richtig etwas abgewinnen. Ich suche ihn bis heute :oD

    Und das „klar, spitz und fokussiert“ kann ich ehrlich gesagt auch nicht mehr hören. Auch wenn da sicher eine Menge Gutes dran ist.

    Bleib ruhig bunt und fühl dich wohl dabei. Ich mach mit!

    Herzliche Grüße
    Sabine

    1. Ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar, liebe Sabine!
      Dass es anderen ähnlich geht, beruhigt ja doch ungemein.
      Ich freue mich auf weiteren, bunten Austausch mit dir!

      Liebe Grüße
      Inga

  6. Hi. Ein sehr inspirierender Artikel. Er hat mir daher sehr gut gefallen, da man(n) so einen wirklich guten Eindruck erhält, was einem als Freelancer beschäftigt oder bewegt im (täglichen) Leben.
    Viele Grüße
    Elias Lange

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