HSP und Scanner – (wie) funktioniert das?!

Buntes zum Auswählen

Vor zwei Wochen hatte ich ein kleines Buch fertig lektoriert, und diese Woche einen privaten Sketchnote-Auftrag vollendet. Und dann war da noch das Treffen wegen der Webseite einer Bekannten. Alles schokofisch-Arbeit, genau – allerdings neben meiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit als Social Media Managerin. Warum? Weil mein Scanner-Ich nach Futter schreit.

Dass ich selber hochsensibel bin, also eine HSP = hochsensible Person bin, weiß ich schon seit einigen Jahren. Mich strengen Lärm und Gerüche schnell an, zu viele Menschen überfordern mich. Dazu gehören auch zu viele Emotionen, zu viele Gesprächsinhalte, zu viele Details, die ich wahrnehme. Mein Gehirn steht diesen Eindrücken quasi filterlos gegenüber und braucht länger als manch andere, um alles in Ruhe zu verarbeiten.

Eigentlich stört mich das nicht, wenn ich meinen eigenen Rhythmus leben kann. Denn ich habe ja meistens die Möglichkeit, z.B. das Radio auszustellen oder große Menschenansammlungen zu meiden.

Manchmal klappt das allerdings nicht. Im Zusammenleben mit anderen mache ich (natürlich) Kompromisse. Und einigen Eindrücken bin ich einfach ausgesetzt, wie Straßenlärm oder Gesprächen von Menschen in meiner Umgebung. Da helfen dann nur Flucht (nicht immer möglich) oder Kopfhörer aufsetzen und eigenen Musik zum Ablenken (was manchmal ziemlich unhöflich wirkt – das mache ich natürlich nicht im Freundeskreis). Ein leichter Hauch von Sozialphobie weht also immer mit…

wohlgeordnete Auswahl

Dass ich gleichzeitig nicht nur HSP, sondern auch Scanner bin, ist mir seit etwa einem Jahr klar.

Scanner-Persönlichkeiten: Das sind vielseitig interessierte (manche sagen auch: multi-begabte, was ich etwas sehr hochgegriffen finde) Menschen, die einfach unterschiedliche Projekte um sich herum brauchen. Schlicht, weil ihnen sonst langweilig wird. Es existieren ganz unterschieldiche Arten von Scannern: Manche wechseln sehr rasch hintereinander ihre Tätigkeit, andere machen -zig Dinge gleichzeitig. Einige in einem langen Rythmus von mehreren Jahren, andere ständig.

„Ich kann mich einfach nicht entscheiden!“

Diesen Satz kennen sicher alle Scanner. Was soll ich bloß beruflich machen? – mit dieser Frage quälte ich mich lange herum. Mich weiter im Buchhandel umtun, oder doch etwas mit Kirche machen? Lieber im Verlag arbeiten oder im Marketing? Mich festzulegen auf ein einziges Gebiet, und dafür alle anderen aufzugeben – das fiel mir nicht nur schwer, sondern kam eigentlich nicht infrage. Was letztlich nicht wirklich zu einer Entscheidungsfindung beitrug.

Die Erkenntnis, dass ich mich nicht entscheiden muss, war für mich wie der berühmte Theatervorhang, der sich hebt. Hier schrieb ich darüber schon einmal. Mein Leben ist bunt, darf vielseitig sein und abwechslungsreich.

große Auswahl

Wie passt das Scanner-Sein mit dem der HSP zusammen?

Sagen wir so: Ich komme klar. Manchmal ist es wie Öl und Wasser, wie Nord- und Südpol, wie Ying und Yang. Man kann es sich vorstellen wie Wellen, die in unterschiedlicher Geschwindigkeit schwingen. Manchmal geraten sie in Harmonie, und für eine Zeit geht das gut. Bis einer ausbricht.

Mein HSP-Ich wünscht sich mehr Konstanz und Ruhe. Möchte nicht so viel Aufregung, sondern Regelmäßigkeit und Sicherheit. Mein Scanner-Ich will Abwechslung und Neues, will Dinge entdecken. Sonst wird ihm sehr schnell langweilig.

In meiner täglichen Arbeit bin ich ständig in den sozialen Netzwerken unterwegs. Mein Scanner-Ich freut sich sekündlich über Plings und Plopps, neue Meldungen und Klicks. Es stürmt jedem Reiz hinterher und langweilt sich, wenn mal nichts Neues auftaucht. Mein HSP-Ich macht das ganz gerne mit, weil es dabei nicht mit anderen reden oder telefonieren muss – Kommunikation im Social Web kommt ihm sehr entgegen. Es kann selber bestimmen, wann und ob es reagiert.

„Rette mich – raus hier!“

Zwei Sachen können passieren: Mein Scanner-Ich kriegt nicht genug Input und hat zum dritten Mal das Internet durchgelesen – alle Likes gesetzt und alle Links geklickt. Oder: Mein HSP-Ich kriegt zuviel Reize ab und macht dicht. Dann scrolle ich nur noch umher und nehme nichts mehr auf.

Je nachdem, wer gerade „gewinnt“, helfen dann nur noch ganz neue Reize – und das ist der Grund für die oben ewähnten Projekte: „Endlich“ mal wieder etwas ganz anderes machen, nämlich ein Buch lektorieren oder ein Bild zeichen! Oder das Gegenteil: Routinearbeiten. Rechnungen schreiben, Ablage machen, Bilder sortieren. Im Homeoffice dann auch gerne Wäsche waschen – hauptsache Ablenkung und das Hirn leeren.

bunt

Klingt ganz schön anstrengend!

Im normalen Leben funktioniert das allerdings oft erstaunlich gut – wenn sich beide einigermaßen die Waage halten. Und ich genug Dinge auf Vorrat habe, die ich dem Scanner als Futter hinwerfen kann.

Im Büro, also beim Job, versuche ich zu steuern. Habe ich das Internet durchgeklickt, suche ich zur Abwechslung nach Bildern und Sprüchen oder recherchiere Interviewpartner. Ein gewisses Optimierungspotenzial ist trotzdem vorhanden.

Deswegen habe ich mir folgendes überlegt:

…für mein Scanner-Ich:

  • ich will einen „Leckeri-Kasten“ anlegen mit tollen, spannenden Belohnungen oder Aufgaben. Welche das sein werden, weiß ich noch nicht…
  • mein Fotoarchiv neu organisieren und per Cloud verfügbar machen, damit ich an meinen verschiedenen Arbeitsplätzen darauf zugreifen kann

…für mein HSP-Ich:

  • angenehme Musik heraussuchen und mitnehmen, auch für unterwegs
  • ein paar schöne Bilder aufhängen (das könnte auch dem Scanner gefallen!)
  • bewusste Pausen einlegen und kurze Spaziergänge machen

Ich bin gespannt, wie es klappt. Die beiden „Ichs“ werden mich bestimmt wieder überraschen. Aber ich sehe sie beide als Teil von mir und als Bereicherung. Auch wenn sie mal wieder stressen… 😉

 

Inga
Nordlicht aus Hamburg, Schweden im Herzen, Katze auf dem Schoß und immer einen Tee neben sich.

7 Kommentare

  1. Ach, Inga – du sprichst mir so, so, so sehr aus der Seele! Die einzige kleine Ausnahme ist, dass ich sehr gern telefoniere und gar nicht gern am PC sitze. 😉 Ansonsten kenne ich dieses Wechselbad aus „Los, was Neues!“ und „Pscht, Ruhe hier jetzt und alle Regler auf off!“ sehr gut und du hast es mal wieder wunderbar auf den Punkt gebracht.
    Liebe Grüße, Steffi

  2. Liebe Inga,

    das ist wieder ein wunderbarer Artikel. Und wie du ja weißt, kenne auch ich diese beiden Ichs zur Genüge.

    Nun hat ja mein eines Ich – nämlich das Scanner-Ich – eine fiese Zäsur erfahren. Durch meine doofe Erkrankung wurde der Scanner irgendwie seiner vielen Interessen beraubt. Vieles findet dieses Ich nicht mehr ganz so spannend, um ehrlich zu sein, etliches sogar total banal. Wie konnten mich bestimmte Dinge nur so vereinnahmen?

    Das kenne ich ja gar nicht von mir. *grmpf*

    Und ich hoffe ehrlich gesagt, dass es sich bald wieder legt.

    Es muss ja gar nicht mehr „scannermäßig“ so doll sein, wie vorher. Aber ein wenig mehr „Kick“ wäre schon ganz schön.

    Gleichwohl ist es für mein anderes Ich – das HSP-Ich – ganz wohltuend, sich nicht mehr ständig hirnmäßig so verstrubbelt zu fühlen. Und nicht mehr so getrieben. Es will ja nur noch auf den wesentlichen Hochzeiten tanzen und nicht mehr auf allen. Viel zu anstrengend.

    Es kehrt bisweilen ein gewisses Gefühl der Gelassenheit in mein HSP-Ich ein. Auch ganz schön.

    Irgendwas ist ja immer. :o)

    Liebe Grüße
    Sabine

  3. Liebe Sabine,
    ja, das ist wirklich auch ein echt fieser Einschnitt! Aber dein Scanner wird sich schon wieder melden… Erst die Appetitwichtel, dann irgendwann auch die Scannerwichtel, da bin ich sicher. Und so lange andere Prios zu haben, ist doch völlig okay!
    Und dass du die Mitentdeckerin meines „Scannismus“ bist, weißte ja eh, ne? <3
    Herzliche Grüße! Inga

  4. Vielen Dank fuer diesen Artikel. Ich weiss erst seit 2 Monaten, dass ich ein HSP bin. Und nach deinem Artikel glaube ich nun, dass ich auch noch ein scanner bin. Ich muss darueber lesen. Aber mein Kopf dampft schon wieder, meine Ideen ueberwaeltigen mich mal wieder. Ich lese drei Buecher auf einmal. Ausserdem will ich ja auch noch Stoffe faerben, Handtaschen designen und naehen, neue Kunsttechniken lernen, in einem Chor singen, einen Kreativitaetskurs machen, schwimmen gehen, einen Kurs ueber indische Kueche machen. Wie schafft man so was?

    1. Hallo Doris,
      da bist du wirklich gerade in einer spannenden Lebenslage! 😉
      Das Buch von Barbara Sher ist zum Thema „Scanner“ tatsächlich eine gute Grundlage – und alles andere ergibt sich… und ist dennoch nie abgeschlossen.
      Viele tolle Entdeckungen wünsche ich dir!
      Inga

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