„In diese Welt passe ich nicht!?“

Hochsensibel | schokofisch.de

Als ich diesen Satz in einem Beitrag bei DR Wissen hörte, war das wieder so ein „Klick!“-Moment. „Ja genau, so war‘s bei mir auch!“

Als Kind machte ich diese „Ich bin anders“-Erfahrung – und lernte, damit zu leben und umzugehen. Allerdings verstand ich nicht, warum das so war. Ich brauchte eben mehr Raum für mich, Zeit mit mir allein. Weniger Action und Sinnenrausch.

Dass ich nicht „komisch“ war, sondern hochsensibel, realisierte ich dann allerdings erst vor etwa sechs Jahren. Ich hörte irgendwo etwas davon, recherchierte im Netz und las schließlich Bücher –– und hatte so viele Aha-Erlebnisse! Plötzlich verstand ich, warum ich so anders reagierte als viele meiner Mitmenschen!

Was ist Hochsensibilität?

Inzwischen liest man in den Medien öfter einmal von Hochsensibilität, was sich fast wie eine Modeerscheinung oder -krankheit anhört. Dabei ist dieses Fühlen mit allen Kanälen, das Wahrnehmen ohne Filter wahrlich keine Krankheit, sondern eine „andere“ Art der Wahrnehmung, die bei ca. 15 bis 20 Prozent der Menschen vorkommt.

Wie sich Hochsensibilität äußert, ist unterschiedlich: Einige HSP (= highly sensitive Person, hochsensible Person) nehmen besonders deutlich Stimmungen wahr, wenn sie Räume mit Menschen betreten, spüren also jede emotionale Schwingung.

Andere ermüden schneller in Gesprächen, weil sie über jeden einzelnen Satz viel länger als andere nachdenken und immer wieder darauf „herumkauen“. Wieder andere sind besonders empfindlich, was Geräusche, Gerüche oder optische Eindrücke angeht.

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Meine Erfahrungen…

Ich denke viel nach. Man kann es sich ein bisschen vorstellen wie wiederkäuen: Erlebtes, Gesehenes, Gehörtes kommt immer wieder hoch und muss bearbeitet werden. Egal, ob Filme, die ich gesehen habe oder Gespräche mit Freunden oder bei der Arbeit.

Als dazu noch visueller Mensch schaue ich gerne: Landschaft beruhigt mich. Ob am Meer, in den Bergen oder auf dem Spaziergang durch die Felder – ich kann dabei gucken und nachdenken.

Aus diesen Gründen stört es mich auch nicht, allein zu sein. Ich kann dann meinem Rhythmus nachgehen und tanke Kraft.

Große Menschenmengen kann ich nur ab, wenn ich nicht in Interaktion mit ihnen treten muss: Riesige Supermärkte funktionieren, weil ich mir meinen eigenen Weg suchen kann. Die Schutzvisiere sind dann sozusagen heruntergeklappt, um nicht zu viele Reize mitzunehmen.

Bei Veranstaltungen ist es ähnlich, ich brauche dann allerdings am liebsten eine Homebase, einen Auftankort, an dem ich mich ausruhen oder zurückziehen kann. Außerdem langweilt und irritiert mich Smalltalk.

Gespräche mit anderen schätze ich trotzdem sehr. Je mehr Menschen allerdings beteiligt sind, desto anstrengender finde ich es allerdings, und desto mehr klinke ich mich aus und höre nur zu (weil ich immer noch nachdenke). Daher ist mir der 1:1-Dialog am liebsten – privat, aber auch mit Kunden.

Grundsätzlich kann ich besser mit ebenfalls leiseren Menschen. Wichtig für mich ist, mir dies im Umgang mit Kunden bewusst zu machen. Arbeite ich viel mit Extrovertierten zusammen, mit nicht-HSPlern, strengt mich das viel mehr an, weil meine Filter sehr viel mehr leisten müssen. Oft saugen solche Menschen auch (zu) viel Energie von mir ab, als gut ist.

Ich bin dankbar, mein eigenes Zimmer zu haben, in das ich mich zurückziehen kann. Egal, ob vor Fernsehsendungen, die ich gerade nicht sehen möchte oder der geräuschlichen Reizüberflutung. Im Büro hilft dann entweder „Tür zu“ oder der Kopfhörer.

Vielleicht ist auch das ein Grund, weswegen ich gut und gerne abends arbeite, wenn die Reize von außen nachlassen. Ruhe kehrt ein, und ich kann konzentrierter denken. (Huch, vielleicht bin ich sogar gar keine Eule, wie ich immer dachte!?)

Vorteile (m)einer HSP-Persönlichkeit

Die letzten Absätze kann man auch so verstehen, dass ich im Alltag ganz schrecklich viel leiden muss. Das stimmt nicht! Früher dachte ich, ich sei schlicht zu empfindlich. Heute weiß ich: Es hat auch ganz viele Vorteile, Dinge genauer wahrzunehmen!

  • Gefühlvoller“ Ansatz – andere nennen es ganzheitlich. Ich bin definitiv kein Karrieremensch, und könnte auch nie in einem 60-Stunden-Job (oder mehr) arbeiten. Zeit für mich, zum Nachdenken, ist essentiell. So gehe ich aber auch an meine Arbeitsprojekte heran: mit Gefühl, mit ganzem Herzen. So ergeben sich oft schöne und ungeahnte Aspekte.
  • Blick auf Details: Als visueller Mensch nehme ich Kleinigkeiten wahr. Einzelheiten, Details, kleine Schönheiten am Wegesrand, aber auch Details in Filmen, die andere vielleicht übersehen. Da ich gerne fotografiere, landen eben auch oft solche kleinen Motive vor meiner Linse. Das gilt auch für’s Berufliche: sei es beim Korrekturlesen oder bei frickeligen WordPress-Problemen.
  • Gespür: Ich merke, wenn etwas nicht stimmig ist – ob in Gesprächen oder ungesagt als Schwingung im Raum. Meine Intuition hilft mir dabei, feine Dinge in Unterhaltungen zu erkennen. Das geht am besten mit Menschen, die ähnlich ticken.
  • Querdenken, fantasievoll, kreativ, musikalisch, auf Harmonie bedacht sind andere Eigenschaften meines bunten Wesens, die ich sehr schätze und die ich sowohl privat als auch beruflich nutze.

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Was mache ich aus meiner Hochsensibilität?

Wie jeder einzelne Hochsensible mit seiner Gabe umgeht, ist völlig individuell – je nach Neigung, Vorliebe und Ausprägung. Viele sind sehr kreativ, sozial und gefühlsbetont, und arbeiteten daher in Berufen, in denen sie diese Fähigkeiten einsetzen können. Und: machen wir uns erst einmal bewusst, was uns beeinflusst oder wie wir mit der Hochsensibilität am besten umgehen, ist es eine tolle Quelle, ein reicher Schatz.

Ich selber habe mir für die nächste Zeit vorgenommen, diesen Schatz weiter zu erforschen. Viele Aspekte meiner HSP-Persönlichkeit sind mir bewusst, andere vielleicht noch nicht. Ich möchte wissen, wie ich sie noch besser in meine Arbeit integrieren kann. Diese Fragen und Aufgaben werden mich sicher noch im Jahresverlauf begleiten.

„Ich passe nicht in diese Welt!?“

So lautete die Überschrift dieses Artikels. Die Antwort darauf lautet: Doch, natürlich passe ich! Denn die Welt ist groß, und sie ist bunt. Deshalb brauche ich meine Nische, in der ich meine Vielfältigkeit ausleben kann. Denn HSP zu sein, ist spannend – und nix Schlimmes!

Bist du hochsensibel?

Inzwischen gibt es Tests, um festzustellen, ob man zu den HSP zählt. Hier geht es zu einem sehr guten Test.

Falls du es bist, ahnst du es aber wahrscheinlich auch schon…? Wie sind deine Erfahrungen damit?

Inga
Nordlicht aus Hamburg, Schweden im Herzen, Katze auf dem Schoß und immer einen Tee neben sich.

12 Kommentare

  1. Liebe Inga,

    schöner Artikel. Auf jeden Fall passt du in diese bunte Welt, aber sowas von ;o)

    Sich als Hochsensibler seine Nische zu suchen, finde ich eine ganz wunderbare Aufgabe! Gerade, wenn man gerne kleinteilig herumfrickeln mag. Da kann man sich doch ganz vergnügt seine verschiedenen Nischen zurechtfriemeln, hier was ruckeln, da was schieben – und notfalls auch alles wieder über den Haufen werfen. So what!

    Das ist genau das, was ich an meiner Hochsensiblität so schätze: aus vielen Puzzelsteinchen etwas mir eigenes zusammenstellen. Immer wieder etwas ausprobieren, austesten, für doof oder für toll befinden.

    Das vernetzte Denken und die Freude am Lernen muss doch für etwas gut sein! ;o)

    Sonnige Grüße
    Sabine

    1. Liebe Sabine,

      herzlichen Dank für dein Feedback! Puzzlesteine sind wirklich auch ein wunderbares Bild… Ich freue mich jedenfalls darauf, weiterhin die bunten Eck- und Randsteine dafür zu suchen!

      Liebe Grüße
      Inga

  2. Es freut mich dass HSP immer anerkannter wird. Vor ein paar Jahren sah das noch ganz anders aus. Kaum jemand hat darüber gesprochen. Wobei ein Austausch meiner Meinung nach wichtig ist.

    Meiner Meinung nach ist das besonders für Menschen wichtig, die ihrer hochsensible Ader gerade erst entdeckt haben. Wobei ich auch der Meinung bin, dass man seiner Hochsensibilität nicht zu viel Platz und Aufmerksamkeit schenken sollte. Schließlich ist man mehr als nur hochsensibel. Für mich ist meine Hochsensibilität ein Charaktermerkmal von vielen.

    Ich finde es schön dass du deine „Gabe“ nicht als Fluch betrachtest sonder als Segen. Grandios finde ich auch, dass du ganz offen darüber schreibst. Wie bereits geschrieben, finde ich das extrem wichtig. Aus diesem Grund habe ich auch eine Facebook-Gruppe gegründet. https://www.facebook.com/groups/750501311712284/

    Die Gruppe ist für Hochsensible und Interessierte. Sämtliche Fragen, Erfahrungen und Probleme werden dort ganz offen und ehrlich angesprochen. Auch philosophische Ansätze sind gang und gäbe. 😉

    1. Liebe Frau Rennt,
      Austausch ist auf alle Fälle wichtig, da stimme ich voll zu! Es freut mich, dass mein Beitrag dir gefallen hat 😉 – und danke für den Hinweis auf die Gruppe!
      Herzliche Grüße
      Inga

  3. Hallo 🙂

    Obwohl ich seit mehr als einem Jahr über meine Hochsensibilität Bescheid weiß und wirklich sehr viele Informationen zu diesem Thema gelesen und zusammengetragen habe, bekomme ich von Blog-Beiträgen wie diesem immer noch Gänsehaut – danke dafür!

    Insbesondere gefallen mir die wunderschönen Frühlingsbilder dieses Beitrags, vor allem die Magnolien, die bei uns dieses Jahr aufgrund des Regens und Windes leider noch kürzer blühten als sonst…

    Ein wunderbarer Beitrag, der die Essenz der Hochsensibilität sehr gut auf den Punkt bringt. Ich möchte nochmal betonen – wie auch im Artikel bereits geschehen – dass es unter den Hochsensiblen noch ein gaaanz großes, breitgefächertes Spektrum gibt und man den Test bzw. die Fragebögen zur Hochsensibilität im Gesamten betrachten sollte und nicht jede Frage auf die Goldwaage legen sollte. Ich z.B. trinke sehr gerne meine 2-3 Tassen Kaffee am Tag, die hauen mich überhaupt nicht um. Oder eine Überreaktion auf Medikamente konnte ich auch noch nicht wirklich feststellen. Jeder Hochsensible beantwortet diese Fragen immer etwas anders, aber allen gemein ist die erhöhte Reaktion auf äußere und innere Reize und die damit einhergehende längere Verarbeitungs- und Nachdenkzeit.

    Was ich an obigem Blog-Beitrag auch noch schön fand ist das Nachdenken darüber, ob man wirklich eine Nachteule ist oder ob man einfach nur dadurch besser und effektiver arbeitet, da man keinerlei Reizen von außen mehr ausgesetzt ist – ein toller Gedanke – muss ich auch noch mal in mich gehen 😉

    Was ich noch unbedingt erwähnen möchte ist, dass ca. 70% der Hochsensiblen introvertiert und 30% extrovertiert sind. Außerdem gibt es noch so genannte High-Sensation-Seeker oder Scanner unter den Hochsensiblen. Ich bin eine davon – ich fahre in Vergnügungsparks unheimlich gerne Achterbahn, brauche ab und an einen Adrenalinkick, mache unheimlich gerne Sport und kraxele für mein Leben gerne auf Berge. Das gibt es also auch…

    Aber das allerwichtigste an dem obigen Artikel finde ich, ist das Nachdenken darüber, was ich jetzt mit diesem Wissen über meine Hochsensibilität anfange. Was mache ich damit? Wie kann ich meine Hochsensibilität einbringen bzw. wie kann ich durchs Leben gehen, dass ich (vor allem) mir selbst gerecht werde? Es gibt nicht wenige Depressions- und Burn-Out-Patienten, die hochsensibel sind, aber nichts davon wissen. Da kann es dann durchaus sein, dass Medikamente zwar temporär helfen, was auch gut ist!, allerdings rutscht man schnell wieder in die nächste Depression rein, sofern man nichts von seinem Charaktermerkmal der Hochsensibilität weiß…

    Ach so, noch ganz kurz zu meiner Scanner-Eigenschaft: Was ich daran toll finde ist, dass ich unheimlich gut neue Informationen miteinander verknüpfen und neue Gedanken daraus ziehen kann. Mit der Thematik der Hochsensibilität ist es ganz genau so. Allerdings muss man hier etwas aufpassen, damit man sich nicht in einem Thema verrennt und sich irgendwo verliert – sondern wie oben erwähnt – dieses Wissen für einen selbst so umwandeln kann, dass es einen in der persönlichen Entwicklung auch weiterbringt. Das ist mein Wunsch, der manchmal gar nicht so einfach zu verwirklichen ist.

    Ganz wichtig: Vertraut euch und eurer Intuition und lernt, was eure eigenen Bedürfnisse sind. Ein gesunder Egoismus ist insbesondere für Hochsensible essentiell.

    Liebe Grüße,
    Julia

    1. Hallo Julia,

      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die Ergänzungen!

      Mir geht es mit Kaffee oder Medikamenten übrigens wie dir: Dabei habe ich noch keine besondere Wirkung festgestellt. Selber trinke ich viel und gerne schwarzen Tee, auch ohne „Nebenwirkung“.

      Intros und Extros: Ja, das wäre eigentlich noch mal ein gesondertes Thema – ich denke mal drüber nach. Ich bin jedenfalls definitiv Intro ;-). Adrenalinkicks brauche ich auch so gar nicht 😉 Aber spannend, wie unterschiedlich das ist und wir trotzdem beide hochsensibel sind!

      Herzliche Grüße
      Inga

  4. Hallo Inga,

    ich war damals echt erleichtert, als ich mich auch endlich in die „Hochsensibilität“ eintüten konnte. Das ist jetzt so sechs Jahre her. Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen, mit den Auswirkungen des „Scanner + High Sensation Seeker + etc.“-Daseins umzugehen. Was du unter „Vorteile“ geschrieben hast, passt auch alles … schön. 😉

    Viele Grüße
    Berit

  5. Hallo Inga,

    ich bin durch Zufall (google-suche ‚ich passe nicht in diese Welt‘) auf diese Seite gekommen und musste sie mehrfach lesen: Ich kann nahezu jeden Punkt für mich unterschreiben.
    Ich hatte keine Ahnung, dass es noch mehr Menschen gibt, die mit sich und anderen diese Erfahrungen gemacht haben – und dass das einen Namen hat.
    Ich hatte mich für sozial inkompatibel gehalten und bin so’n bisschen ein Einzelgänger geworden.
    Ich bin schon länger nicht mehr 40…
    und lese jetzt hier zum ersten Mal so was wie eine detaillierte Beschreibung meiner eigenen Erfahrungen. Dafür schon mal vielen vielen Dank!
    Ich will jetzt gar nicht auf die einzelnen oder besonderen Übereinstimmungen eingehen (vielleicht ein anderes Mal), sondern werde natürlich jetzt erst mal viele weitere Infos dazu ergoogeln.

    Was mir aber sofort auffiel: Hochsensible scheinen nahezu nur Frauen zu sein!?
    Nach meinen Erfahrungen wird meine Hochsensibilität (laut verlinktem Test bin ich sehr hochsensibel) tatsächlich als unmännlich empfunden, was ich irgendwie fast ein wenig nachvollziehen kann.
    Das macht es mir, zumindest jetzt zum Anfang der Erkenntnis, ein wenig schwerer es als Gabe zu nehmen. Vielleicht kommt das ja noch im Laufe meiner weiteren Nachforschungen zu diesem Thema

    Viele Grüße
    Chris

    1. Hallo Chris,

      danke für deinen Kommentar!
      Ja, dieses „Aha-Erlebnis“ kennen wohl alle Hochsensiblen: dass man die eigenen Erfahrungen wieder erkennt und sich plötzlich selber besser versteht.

      Ob es eher Frauen als Männer betrifft, weiß ich nicht – eigentlich geht man von 15-20% der Gesamtbevölkerung aus. Vielleicht kümmern sich Männer weniger drum oder lassen es nicht zu („unmännlich“, schreibst du ja auch) – oder wissen es einfach nicht.
      Aber es ist definitiv ein Prozess, das nicht nur zu wissen, sondern sich damit anzufreunden. Und gerade zu Beginn herausfordernd – aber auch sehr spannend!

      Daher: Viel Erfolg beim Forschen, Lesen, Nachdenken
      und herzliche Grüße,
      Inga

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