Kirche in der digitalen Welt

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Passen Kirche und Digitalistan eigentlich zusammen? Verkündigung online, Social-Media-Gottesdienste, geistliche Impulse in den sozialen Netzwerken oder Blogs von Menschen, die in der Kirche arbeiten: Die Vielfalt ist groß.

Warum erscheint die Schere zwischen dem, was tatsächlich da ist und dem, was wahrgenommen wird, so groß? Und gibt es tatsächlich (kirchliche) Widerstände gegen die Digitalisierung, oder sieht es nur so aus?

Im Netz findet dazu gerade eine lebhafte Diskussion statt, mit unterschiedlichen Ansichten – am besten nachzulesen unter #DigitaleKirche. Ich versuche hier auch mal, meinen Standpunkt darzulegen.

1. Nicht alle Menschen sind online

Wenn es um Gottesdienst und Verkündigung sowie Seelsorge geht, zählt das Wort. Wie in den meisten Formen der Kommunikation auch. Ob 1:1 oder in Form von Unterhaltungen mehrerer Menschen. Niemand, der ernsthaft an der Thematik #DigitaleKirche teilnimmt, will das abschaffen und durch Social-Media-Kommunikation o.ä. ersetzen. Es wird also niemandem etwas weggenommen, wenn wir über #DigitaleKirche sprechen.

Kirche | schokofisch.deAuf der anderen Seite *muss* niemand digital kommunizieren. Wer diese Art seltsam, supsekt oder unpersönlich empfindet, darf sie sein lassen – und wir anderen, die der modernen Unterhaltung offen gegenüber stehen, sollten uns auch nicht anmaßen, dies zu verurteilen.

Gerade Menschen, die keine Digital Immigrants mehr sind, finden: Technik ist ein Mittel zum Zweck, mehr aber auch nicht. Telefonieren ist okay, Fernsehen auch, aber wir möchten bitte persönlich sprechen. Und Verkündigung erfahren.  Ältere Menschen verstehen manche Technik auch nicht oder haben keine Lust, sich damit auseinander zu setzen, weil sie für sich darin keinen Nutzen sehen. Das mag man verurteilen, jedoch wichtig ist: Angebote muss es geben, allen Interessierten den Weg zu öffnen. Ob als Senioren-Computerkreis oder im persönlichen Austausch mit Oma.

Wer sich gegen digitale Kommunikation entscheidet, darf nicht ausgeschlossen werden von der Welt. Das betrifft Verkündigung genauso wie den Zugang zum Bankkonto oder der Fahrkarte. Deswegen darf und muss Kirche auch weiterhin „klassisch“ arbeiten.

2. Aber viele Menschen sind online

Und das immer. Quasi. Und das ist doch ein gutes Argument, um Kircheninteressierte und gläubige Menschen auch da anzuholen, wo sie sind: im Netz.

Die Basics

1. Die Webseite

Das beginnt bei der sauberen Pflege und regelmäßigen (!) Aktualisierung der Gemeinde-Webseite – und ja, regelmäßig und zeitnah liegen hier eng beisammen. Wenn ich zu Ostern immer noch die letzten Adventsgottesdiensttermine auf der Webseite lese, bin ich sofort raus.

KircheAuch inhaltlich muss eine solche Gemeinde-Webseite nicht jede Predigt zum Download anbieten und interaktiv sein, aber die aktuellen Gottesdienst- und Veranstaltungstermine gehören genauso dazu wie Kontakt- und Ansprechmöglichkeiten und die genaue Adresse (leider oft vernachlässigt).

Und ja, ich bin der Meinung, eine Kirchengemeinde muss eine Webseite haben. Wenigstens mit den im letzten Abschnitt genannten Informationen. Ohne geht heute tatsächlich nicht mehr. Sie haben ja auch Telefon, oder?

2. Die sozialen Netzwerke

Welche Social-Media-Profile eine Kirchengemeinde nutzt, hängt sehr von ihrer Gemeindestruktur ab. Natürlich macht ein Facebook-Auftritt nur Sinn, wenn die Gemeindemitglieder auch dort sind und sich informieren und austauschen möchten. Heißt aber auch: Wenn sich eine Gemeinde dazu entschließt, muss es eine*n feste*n Ansprechpartner*in bzw. Verantwortlichen geben. Und das ist nicht der Praktikant oder die aktuelle Konfigruppe. Mitarbeiten dürfen die alle sehr gerne, aber unter der Leitung eines/einer Mitarbeiters*in oder Ehrenamtlichen. Auch hier gilt: Aktualität und Regelmäßigkeit.

Gleiches gilt für andere soziale Netzwerke: Wenn die Gemeinde auf Instagram oder Twitter aktiv sein will oder die Jugendarbeit snappt: prima!

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3. Und die Pastor*innen?

Meine persönliche Meinung: Ran an die Geräte! Ob Pastor*in oder Geschäftsführer*in, Bischof/Bischöfin oder Unternehmer*in: wenn ihr etwas zu sagen habt, tut das. „Keine Zeit“ ist keine Ausrede – ihr unterhaltet euch doch auch am Telefon mit den Menschen, oder? Das Mobiltelefon haben die meisten heute sowieso dabei. Twitter an, schreiben, schicken – das dauert maximal 30 Sekunden.

Klar gilt auch hier: Nur, wenn es Spaß macht. Aber dazu gehört, es wenigstens einmal auszuprobieren. Manche*r hat vielleicht auch Angst – oder sagen wir: Respekt – vor dem direkten Kontakt, gerade als „Amtsperson“. Ja, Social Media ist social. Heute gehört aber zur äußeren Wahrnehmung von Führungskräften, auch in der Kirche, Authentizität und Glaubwürdigkeit. Und wie bei Politiker*innen glaube und vertraue ich Menschen mehr, die sich persönlich zeigen. Direkt ansprechbar sind. Etwas von sich zeigen. Es müssen ja keine Strandbilder oder welche vom Familiengeburtstag sein.

Zwei Beispiele, die im Zusammenhang mit #DigitaleKirche öfter genannt werden: Die Pastorin Carola Scherf twittert und schreibt ein Blog. Auch der bayerische Landesbischof und EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm ist auf Facebook und Twitter aktiv. Dass ein Social-Media-Team ihn unterstützt, wundert nicht und ändert nichts an seiner Glaubwürdigkeit.

Übrigens halte ich nichts von einem privaten (geheimen) Profil. Es sei denn, man möchte sich dort ausdrücklich  nur über private Themen äußern: den Kindern, seinem speziellen Hobby oder ähnlichem. Ich habe selber mal versucht, mehrgleisig zu fahren (und bin nicht mal eine öffentliche Person) – und muss sagen, es ist extrem anstrengend. Bin ich gerade als Unternehmerin oder als Privatperson unterwegs, fragte ich mich immer. Was, wenn sich diese Welten vermischen? Und das tun sie unweigerlich!

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4. Und die Institutionen?

In meiner Wahrnehmung ist diese Frage schon fast rhetorisch, die Landeskirchen oder Bistümer sind eigentlich alle digital vertreten. Je niedriger die Ebene geht (also z.B. Kirchenkreise, Gemeinden), desto mehr lässt dies allerdings auch nach.

Mitarbeiter*innen in kirchlichen Institutionen (und übrigens auch in Unternehmen!) nicht zu erlauben, sich während der Arbeit frei im Netz zu bewegen, halte ich heute übrigens für nicht mehr zeitgemäß. Allerdings gehört die sorgsame Aufklärung sowohl über die jeweilige Rolle im Netz als auch über eventuelle Gefahren im Netz, auch z.B. für die eigene IT, dazu – und damit auch eine Nettiquette. Hier wird festgelegt, wie ich mich als Arbeitnehmer*in zu beruflichen Themen im Netz äußern darf und was ich nicht anklicken sollte. Und natürlich gehört der verantwortungsvolle Umgang mit Inhalten und meiner Arbeitszeit dazu.

Kirchliche Institutionen bieten heute ihren Mitgliedern viel Unterstützung an, was das digitale Leben angeht, sei es in Form von Workshops und Weiterbildung wie die EKHN oder natürlich auch in der Möglichkeit, persönlich ansprechbar zu sein, wenn es um die konkrete Umsetzung geht.

Aus meiner eigenen Arbeit* weiß ich, wie viele Gedanken sich Landeskirchen und andere Institutionen über digitale Inhalte machen. Ob zur Möglichkeit der digitalen Verkündigung, dem Nutzen von Außendarstellung, z.B. bei der re:publica, dem Austausch auf Barcamps wie dem zu KircheOnline oder persönlichen Kontakten: Das Netzwerk besteht und es wächst, was mich sehr freut und bereichert.

5. Fazit

Es passiert viel. Kirche ist digital unterwegs. Ob in Social-Media-Gottesdiensten oder Twitterandachten, ob in den Netzwerken oder in der direkten digitalen Kommunikation wie einem WhatsApp-Fastenkalender. Vielleicht ist die Kirche nicht so weit wie andere Branchen. Aber dürfen Neues ausprobieren, mitmachen, Spaß haben!

Natürlich ist Luft nach oben. Stillstand wäre fatal, und es ist wunderbar, die Entwicklungen zu beobachten, die es überall gibt. Ich freue mich über die aktuelle Diskussion, weil wir letztlich auch merken, was wir bereits haben. Und weil eine Menge toller Leute im Netz unterwegs sind, und es spannend ist, sich auszutauschen und kennen zu lernen. Ob real oder online!

 

* Ich arbeite als Social Media Koordinatorin bei der „Evangelischen Kirche im NDR„, dem Rundfunkreferat der Evangelischen Kirchen in Norddeutschland, auch „Rundfunkreferat“ oder „Radiokirche“ genannt. Wir liefern produzieren für den NDR die Verkündigungsbeiträge sowie eine TV-Sendung.

 

Inga
Nordlicht aus Hamburg, Schweden im Herzen, Katze auf dem Schoß und immer einen Tee neben sich.