Als ich letztes Jahr für einen Videodreh in einem Kloster mit einem Pastor darüber sprach, wie man seine Spiritualität im Alltag einbaut, begann er: „Suchen Sie sich einen ruhigen Ort in der Wohnung.“
Katze oder innere Sammlung?
Mir dämmerte nach diesem ersten Satz: Das klappt nicht. Oder: nur bedingt. Ich lebe mit zwei Katern zusammen, die sehr anhänglich sind. Egal, ob ich lese, Yoga mache oder Fernsehen schaue: Sie hängen irgendwie auf mir rum. Möglichst beide. Das führt zu einer gewissen Bewegungsunfähigkeit – und schließt „gelebte Spiritualität“ aus.
Natürlich gibt es Zeiten, zu denen sie schlafen – meist vormittags, wenn ich arbeite. Mich nicht um spirituelle Themen kümmere. Zu anderen Zeiten müsste ich abwarten, bis sie schlafen, um innerlich zu werden. Kompliziert.
Zeit für Morgenrituale?
Für die Vorbereitung des nächsten Drehs las ich mich in die Biografie des eventuellen Interviewpartners, der im Klosterorden lebt, ein. Er liebe das frühe Aufstehen, erzählte er, um mehr Zeit fürs Gebet oder Meditaton zu haben.
Hier weinte ich leise auf. Ich kann nicht früh aufstehen, jedenfalls nicht regelmäßig. Ich schaffe es einfach nicht. Schön wäre es: Ich würde Morgenseiten schreiben, vielleicht nebenbei den ersten Kaffee trinken. Leider brauche ich viel Schlaf, und das bedeutet: Entweder verkürze ich den Abend „radikal“. Oder ich stehe morgens auf, um zur Arbeit zu gehen.
Dass der Ordensbruder noch hinzufügte, er brauche eine ausgedehnte Mittagsruhe, um abends dann spät ins Bett zu gehen (und morgens um fünf wieder aufzustehen), konnte ich dann gut verstehen. Aber es widerspricht meinem Rhythmus leider komplett.
Würde ich im Kloster leben (wollen)?
Warum erzähle ich euch das? Nun, weil die Video-Interviews in Klöstern tatächlich sehr spannend sind. Ich treffe auf völlig abweichende Lebensentwürfe. Katholische Mönche (bzw. Ordensbrüder) – natürlich wäre das nicht mein Leben, als evangelische Frau. Aber ins Grübeln kam ich durchaus anlässlich Besuchen in evangelischen Damenstiften oder Kommunitäten. Versteht mich nicht falsch: Es steht da keine Entscheidung an. Ich überlege nur: Wäre das theoretisch ein Weg, den ich mir vorstellen könnte?
Ich beneide Menschen in Gemeinschaften und Klöstern um ihre Möglichkeiten. Viele leben dabei mit sehr festgelegten Abläufen: regelmäßige Gebetszeiten mehrmals am Tag. Andachten und Gottesdienste. Räume, die dafür zur Verfügung stehen (ohne Katzen). Andere Menschen, die mit ihnen das gleiche tun, nämlich spirituell zu „agieren“.
Zweifel sind erlaubt
Bevor ich öfter solche Klöstervideointerviews drehte, dachte ich: Die Klosterbewohner haben es gut. Sind sie doch frei von Glaubenszweifeln, fest in sich ruhend, alles ist gut. In vielen Gesprächen merkte ich jedoch: Das stimmt nicht. „Sogar“ katholische Ordensbrüder erzählten von quälenden Zweifeln und Lebensfragen. Die aber, so ergänzten sie, dazu gehörten. Sogar in der Bibel vorkommen. Fast alle Propheten, die von Gott berufen wurden, sagten erst einmal: „Ich?? No way.“
Seitdem ich das weiß, geht es mir etwas besser. Es beruhigt mich. Ordensleute sind gar nicht „so perfekt“, dass sie sogar im Kloster leben können. Im Gegenteil, es gehört ja viel Mut dazu: trotz der Zweifel die restliche Welt (fast) hinter sich zu lassen. Beziehungen aufzugeben.
Nichts verpassen – oder endlich Ruhe?
Ich selber weiß, dass ich zu unruhig wäre: Etwas zu verpassen. Oder zweifeln, ob die Entscheidung richtig wäre. Eine Konventualin, also die Bewohnerin in einem evangelischen Damenstift, erzählte von zehn Jahren innerer Prüfung und innerem Ringen, ob dieser Weg tatsächlich richtig sein würde, bevor sie ihn dann tatsächlich einschlug. Und heute glücklich ist.
Den „Nervkram“ der Welt hinter sich lassen zu können – das wäre tatsächlich das, was mich am Leben im Kloster reizen würde. Wie gesagt, es steht keine Entscheidung an. Aber ich bin gespannt, welche neuen Einsichten der nächste Videodreh mit sich bringt.
(Das Titelbild zeigt übrigens die Kirche in Kloster Volkenroda)